+43 664 30 25 811 philipp@jakesch.photography

Unterwegs mit dem Makro-Objektiv im Wald

Gestern war ich gemeinsam mit meiner Frau eine kleine Runde im Wald bzw. am Waldrand unterwegs. Es ist ein Weg, den wir mit Abwandlungen schon viele, viele Male gegangen sind. Für eine längere Zeit war das auch unsere kurze Morgenrunde. Nahezu jeder Meter dieses Weges stellt einen bekannten Anblick dar, eine gewisse Gewohnheit stellt sich dabei unweigerlich ein. Wir könnten diesen Weg bereits im Schlaf zurücklegen und die einzelnen Weggabelungen sowie den Verlauf auf einem Blatt Papier skizzieren. Sehr häufig habe ich auf unserem Weg auch meine Kamera dabei und ich konnte bereits Bilder machen, die mir gut gefallen.

Gewohnheit als Hindernis

Da dieser gewohnte Weg einen so normalen und viel gesehenen Anblick für mich darstellt, fehlt mir manchmal die Kreativität und ich trage meine Kamera durch den Wald, ohne nur einmal auf den Auslöser zu drücken. Das ist voll in Ordnung für mich, denn wenn ich mich dazu zwingen würde, eine Aufnahme zu machen, wäre ich mit dem Ergebnis ohnehin nicht zufrieden. An manchen Tagen bin ich voll motiviert und voller Tatendrang und ich versuche intuitive Bilder, ICM-Aufnahmen oder andere kreative Methoden, um ein Bild oder eine Technik zu finden, die mir gefällt oder einen Funken entfacht.

Eine Limitierung der Ausrüstung

Besonders an gewohnten Orten macht es einen Unterschied, wenn ich meine Ausrüstung limitiere. Dabei achte ich sehr wohl darauf, dass die gewählte Ausrüstung auch zu meinen Vorstellungen und meiner Motivation passt. Nicht immer habe ich Lust auf minutenlange Belichtungen mit starken ND-Filtern, aber manchmal kann genau das den idealen Effekt liefern. Zuletzt war ich jedoch mit dem Makro-Objektiv unterwegs, um meinen Blick auf die kleinen Schönheiten und ästhetischen Details zu lenken. Leider wurden erst unlängst viele große Bäume entlang unseres gewohnten Weges gefällt und damit hat sich auch das gesamte Erscheinungsbild dramatisch verändert. Trotz dieser großen Zerstörung bleiben im Kleinen noch viel Schönheit sowie ein Neubeginn zurück. Ein Neubeginn für kleine Pflanzen, für die das Schattendasein beendet wurde. Junge Bäume können jetzt ihre Chance nutzen in die Baumkronen vorzudringen.

Der veränderte Blick

Mit dem Fokus auf die kleinen Details veränderte sich mein Blick hier automatisch zum Positiven. Eine kleine Blüte nach der anderen streckt ihren Kopf aus dem feuchten Waldboden. Teilweise noch von alten Blättern bedeckt, versuchen sie mit ihren Duftstoffen die ersten Bienen und Hummeln anzulocken.

Lofoten, Philipp Jakesch Photography, November

Die sanften Farbtöne des Frühlings laden regelrecht dazu ein, einen etwas verträumten Look zu schaffen. Bei geöffneter Blende habe ich die Blüte auf der rechten Seite in den Fokus gestellt und damit das Leuchten der Blüte nicht zu stark wird, habe ich dieses Buschwindröschen hinter einer weiteren weißen Blüte versteckt. Durch die offene Blende erscheint die Blüte im Vordergrund wie ein heller Schleier und ohne jegliche Struktur.

Lofoten, Philipp Jakesch Photography, November

Etwas seltener finde ich eine rote Schneerose im Wald, aber den Augen meiner Frau entgeht nichts. Der Kontrast der roten Blüten war zu den warmen Farbtönen des Waldbodens nicht besonders wirkungsvoll und somit habe ich den Weißabgleich auf ca. 4000 K eingestellt um einen Kontrast zwischen den hellen Unschärfekreisen im Hintergrund und den warmen Farben der Blüte zu erhalten. Zusätzlich habe ich, für einen mysteriöseren Eindruck, das Bild sehr dunkel entwickelt.

Lofoten, Philipp Jakesch Photography, November

Eine zarte Kleeblüte streckt ihre Blätter in den Himmel. Sanft wird sie vom diffusen Licht gestreift und auch im Hintergrund findet sich ein heller Lichtstreifen. Diese beiden Elemente waren für mich die ersten Anhaltspunkte für eine Aufnahme. Zuerst wollte ich die Blüte mit einem dunklen Hintergrund positionieren, doch nach den ersten Testfotos habe ich mich für einen hellen Hintergrund entschieden. Der sanfte Übergang macht das Bild für mich etwas harmonischer und ausgewogener.

Lofoten, Philipp Jakesch Photography, November

Schwamm drüber. Ein Baumschwamm mit so einer wunderschönen, orangen Lippe muss doch fotografiert werden! Meine Entscheidung fiel wieder auf eine Reduktion und eine Balance zwischen Groß und Klein. Das klare Hauptelement ist der intensiv gefärbte Ring des großen Baumschwamms, was auch den einzigen scharfen Bildbereich darstellt.

Lofoten, Philipp Jakesch Photography, November

Auf den Hintergrund zu achten ist in jedem Bild sehr ratsam. Auch mit einer offenen Blende können markante Linien und störende Elemente nicht versteckt werden. Gerne setze ich helle Flecken im unscharfen Bereich im Hintergrund oder auch im Vordergrund ein, um leuchtende Bokeh-Kreise zu erzeugen. Je stärker das Sonnenlicht, umso deutlicher kann dieser Effekt genutzt werden. Hier war der Effekt durch das diffuse Licht relativ subtil und abgeschwächt.

Lofoten, Philipp Jakesch Photography, November

Besonders wirkungsvoll sind Aufnahmen, die ein Element besitzen, das anders ist als der Rest. Ein Element tritt stark in den Vordergrund und hebt sich hervor. In diesem Fall ist es eine Traubenhyazinthe, die ihren Kopf durch die Brennnesseln steckt. Ich habe die Blüte so positioniert, dass die Blätter der Brennnesseln eine gezackte Linie aus dem rechten unteren Bildrand erzeugen und zum Hauptelement führen. Somit bleibt der Blick etwas länger im Bild und die Tiefenwirkung wird verstärkt.

Fazit

Einfach machen, auch wenn weder Motivation noch äußere Rahmenbedingungen auf einem Höchststand sind. Durch die Limitierung auf ein Objektiv fällt die Qual der Wahl weg und die kreative Freiheit lässt sich viel spielerischer und freudvoller umsetzen. In diesem Sinne wünsche ich einen angenehmen Spaziergang an einem gewohnten Ort mit ungewohntem Blickwinkel!