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In den kommenden Zeilen gibt es einen kleinen Auszug aus meinem Buch “Wasserlandschaften fotografieren” Dieses Projekt konnte ich  gemeinsam mit dem dpunkt.Verlag realisieren und im November 22 veröffentlichen. 

Wasserlandschaften fotografieren

Wenn ich an ruhiges Wasser denke, dann fällt mir unweigerlich ein wunderbarer See ein, den ich vor einigen Jahren von meinem damaligen Wohnort aus regelmäßig besucht habe. Ich versuchte, diesen See bei unterschiedlichsten Lichtstimmungen, bei Tag und bei Nacht zu fotografieren. Zum Teil ging ich mit vorgefertigten Ideen und Wunschmotiven zur Location, und manchmal hatte ich überhaupt keinen Plan, was geschehen sollte. Manch[1]mal war die Fotoausbeute sehr gut und ich war über[1]glücklich, und ein anderes Mal packte ich die Kamera gar nicht aus. Den entscheidenden Unterschied macht das Licht: Wenn die Sonne noch tief steht und den Himmel bereits in schönen Farben erstrahlen lässt, so leuchtet die gesamte Szene. Dennoch sind mir Momente in ebenso guter Erinnerung geblieben, in denen das Wetter nicht so »gut« war und trotzdem tolle Bilder entstanden sind. Aber woran liegt das? Das schöne Sonnenlicht konnte es ja nicht gewesen sein. Die Kamera hält widrigeren Bedingungen stand als gedacht, und es liegt an der Person hinter der Kamera, die Besonderheiten der vorherrschenden Lichtstimmungen zu entdecken. Achten Sie auf die kleinen und großen Motive in der Landschaft. Gibt es Spiegelungen oder bewegtes Wasser? Soll die gesamte Szene ins Bild oder doch nur ein Ausschnitt? Durch Beantwortung dieser Fragen entscheidet sich automatisch die Wahl des Objektivs, und spannenden Stunden der Fotografie steht nichts mehr im Wege.

Spiegelungen

Ein einfacher Weg zu ausdruckstarken Bildern führt sehr oft über Spiegelungen: Die reflektierten Bergspitzen eines markanten Gebirgszuges, an dessen Flanke Schneereste liegen, ragen aus der mystischen Nebelstimmung heraus. Das türkise Wasser ist völlig unbewegt, und die gesamte Szene bietet sich in atemberaubender Schönheit dar. Im Uferbereich ist der Untergrund mit wohl geformten Steinen deutlich zu erkennen. Eine tolle Szene, jetzt einfach auslösen und fertig für heute. Nein, falsch! Denn für mich ist es sehr wichtig, Fragen zu stellen. Fragen zum Wunschmotiv, Fragen zu den Möglichkeiten vor Ort und auch zu möglichen Aufnahmewinkeln. Fragen zur eigenen Gefühlslage sind zusätzlich entscheidende Faktoren für gelungene Aufnahmen. In diesen Fragen steckt etwas ganz Entscheidendes: Was gefällt mir und was spricht mich an? Niemals werden Sie ein bewegendes Foto von einem Motiv machen, das Sie nicht beeindruckt. Setzen Sie sich des halb bewusst mit Ihrer Umgebung auseinander, um darin Ihre ganz persönliche Schönheit und Ästhetik zu finden. Finden Sie zu künstlerischer Interpretation, zum eigenen, individuellen Ausschnitt. Finden Sie Motive, die Sie persönlich faszinieren, und setzen Sie diese in aussagekräftige Bilder um. Die ruhige Wasseroberfläche in Abbildung 2 reflektiert die strahlende Bergspitze perfekt. Die Stille des idyllischen Bergsees auf über 1.900 Metern Seehöhe ist förmlich zu spüren. Durch die gespiegelten Bergflanken und den Vordergrund erhielt ich einen Rahmen für die gespiegelte Landschaft. Dieser Rahmen verleiht dem Bild zusätzliche Tiefe, und die Weite der Landschaft wird unterstützt. Bei dieser Aufnahme habe ich den Fokuspunkt direkt auf die kleine Landzunge im Schatten gelegt. Durch die Kombination der sehr kurzen Brennweite mit der Blende f/11 konnte ich sicherstellen, dass jedes Bildelement scharf ist. Für die Berechnung der Schärfentiefe gibt es auch Apps (mehr dazu im nächsten Abschnitt). Der sicherste Weg ist jedoch die tatsächliche Kontrolle des Bildergebnisses auf der Kamera in der 100% -Ansicht.

Winterland, Philipp Jakesch Photography, Steiermark im weißen Kleid, unterwegs in Winter

Praktische Vorgehensweise

Wenn ich mich an einen Ort begebe, an dem ich fotografieren möchte, habe ich oft zuvor schon Bilder davon gesehen. Allerdings: Noch nie hatten wir Zugang zu einer derartigen Vielfalt an Bildern wie heute. Das beeinflusst jede mögliche kreative Eigenentscheidung sehr stark. Denn existiert bereits ein Bild im Kopf, das mit großer Wahrscheinlichkeit unter den aktuellen Bedingungen gar nicht in dieser Form möglich ist, so beschäftigt mich dieses Bild und der gelungene Ausschnitt dieser Szene, unabhängig davon, ob mir das recht ist oder nicht. Mein erstes Motiv ist häufig ein etwas weiterer Blick, eine Aufnahme mit dem Weitwinkel. Ich nehme die Kamera in die Hand und bewege mich von links nach rechts, vor und zurück. Ich schaue durch den Sucher und achte darauf, welche Elemente ich noch gerne im Bild haben will. Da die Höhe der Aufnahme zusätzlich entscheidend ist, verwende ich das Kameradisplay und bewege die Kamera nach oben und nach unten. Somit bekomme ich einen Eindruck davon, wie sich die Formen relativ zueinander verhalten. Dabei ist die Verwendung von Zoom- Objektiven wirklich äußerst praktisch. Erst wenn ich die Wunschposition mit der freien Hand gefunden habe, baue ich die Kamera am Stativ so auf, dass ich die Position möglichst gut rekonstruieren kann. Jetzt steht die Kamera an der gewünschten Stelle. Nun habe ich die Möglichkeit, an diesem Bildausschnitt in feinen Abstufungen zu arbeiten und kleine Anpassungen vorzunehmen. Ein kleines bisschen nach rechts, einen Millimeter nach unten. So ist es gut. Aber welche Einstellungen sind jetzt die richtigen und wo soll der Fokus gesetzt werden? In der Fotografie funktionieren meines Erachtens nur sehr selten absolute Aussagen, und daher versuche ich meine Antworten möglichst anlassbezogen zu geben. Da die genauen Kameraeinstellungen sehr stark vom gewünschten E­ffekt abhängen, werde ich auch dies gezielt für jedes Foto besprechen. Zentral ist das Verständnis der Schärfentiefe als kompositorisches Mittel, d. h., wie tief der Bereich ist, innerhalb dessen alles in Ihrem Bild scharf er scheint. Dieser Bereich ändert sich sowohl durch die Wahl der Blende wie auch der Brennweite sowie durch den Abstand zum Fokuspunkt. Diese drei Faktoren haben einen unmittelbaren Einfluss auf die Schärfentiefe Ihres Bildes. Ich möchte hier auf die beiden Extrembeispiele exemplarisch näher eingehen.

Eine möglichst kleine Schärfentiefe

 Wenn Sie ein Motiv von seiner Umgebung abheben möchten, können Sie das über eine sehr geringe Schärfentiefe erreichen, d. h., vor und hinter dem scharf gestellten Motiv wird es zunehmend unscharf. Dies wird auch als »Freistellung« bezeichnet. Für die maximale Freistellung, also die minimale Schärfentiefe, können Sie z. B. ein 200 -mm -Objektiv mit Blende f/2,8 und einen Abstand von weniger als einem Meter verwenden (sofern die Naheinstellgrenze Ihres Objektivs das hergibt).

Eine möglichst große Schärfentiefe

Für eine maximale Schärfe über das gesamte Bild gehen Sie entgegengesetzt vor: Die Blende wird weit geschlossen, bis auf Werte von f/11 bis f/16, die Brennweite halten Sie mit 14 mm so klein wie möglich, und der Abstand zum vordersten Bildelement wird vergrößert. Bei 14 mm Brennweite ist es nicht so einfach, einen sehr großen Abstand zum am nächsten liegenden Element ein zuhalten, doch das ist in diesem Fall häufig gar nicht notwendig − 1,5 bis 2,5 Meter reichen oft aus. Warum ich einen Blendenbereich zwischen f/11 und f/16 empfehle und kaum Werte wie f/22 oder f/32 verwende, erkläre ich im Kasten »Beugungsunschärfe« auf der nächsten Seite…

Die drei Stellschrauben für Schärfentiefe

■ Blende: Je größer die Blendenzahl ist, umso größer ist die Schärfentiefe. Das heißt gleichermaßen: Je kleiner die Blendenöff­nung ist, desto größer ist die Schärfen tiefe.

■ Brennweite: Je länger die Brennweite ist, umso geringer ist die Schärfentiefe. Mit dem Teleobjektiv wird ein kleinerer Bereich scharf abgebildet als mit dem Weitwinkel.

■ Abstand: Je geringer der Abstand zum Motiv ist, umso geringer ist die Schärfentiefe.

Winterland, Philipp Jakesch Photography, Steiermark im weißen Kleid, der Winter ist da