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Die beste Belichtungszeit

Wie du dir vermutlich schon denken kannst, gibt es auch hier wieder keine eindeutige Antwort auf die Frage, welche Belichtungszeit die Beste ist. Trotzdem sind wir häufig auf der Suche nach dem Optimum. In der Kunst der Fotografie ist dies sehr subjektiv zu betrachten und hängt daher auch stark mit den eigenen geschmacklichen Vorstellungen zusammen.

Belichtungen am Wasser

Besonders bei der Fotografie am Wasser kann die Suche nach der richtigen Belichtungszeit eine Herausforderung sein. Je nachdem wie das Bild aufgebaut ist, wieviel Licht zur Verfügung steht und welche Gesamtsituation vorliegt, fällt die Entscheidung dabei in verschiedene Richtungen. Aber welche Zeit ist nun die optische beste Lösung für eine Szene? Das hängt meiner Meinung nach sehr stark von den prägenden Bildelementen ab. Wenn du das nachfolgende Bild betrachtest, ist die leuchtende Bergkette im Hintergrund ein sehr dominantes und kräftiges Element, für das ich erst eine Balance suchen möchte. Bevor ich das erste Bild aufnehme, blicke ich durch die Kamera und verschaffe mir einen Überblick über die Szene. Welche Brennweite soll es denn werden, welchen Ausschnitt möchte ich wählen und soll es im Hochformat oder im Querformat aufgenommen werden? Fragen über Fragen, doch das sind die wichtigsten Minuten für die Aufnahme schöner Bilder. Wenn du dir selbst bei der Aufnahme Fragen zu Form und Farbe stellst, dann sind bereits die ersten Bilder deutlich überlegter und wirken angenehmer bei der Betrachtung.

Im Bild von den Lofoten habe ich die leuchtende Bergkette ins obere Viertel der Aufnahme gesetzt und einen sehr starken Vordergrund als Balance eingesetzt. Mit diesem starken Vordergrund erhält das Bild einen schönen Gegensatz zwischen warmen Farbtönen im Hintergrund und kühleren, bewegten Strukturen im Wasser. Nachdem ich einen schönen Ausschnitt gefunden habe, nahm ich mindestens 20 Bilder mit dem exakt gleichen Ausschnitt und unterschiedlichen Belichtungszeiten auf, um die gewünschte Form der Wellen zu erhalten. Jede Welle ist etwas anders und bevor ich die Kamera platziere, achte ich auch sehr stark auf die Bewegungen des Wassers. Ein guter Indikator zum Start ist, neben den Gezeitentafeln, der Übergang zwischen trockenem und feuchtem Sand bzw. Steinen am Ufer. Nach und nach taste ich mich heran und blicke immer wieder auf das entstandene Bild am Monitor, um die Balance im Bild zu sehen.

Vulkan auf Island, Philipp Jakesch Photography, Natural Landscape Photography Award, Photograph of the Year

Visuelle Balance

Eines der wichtigsten Faktoren für erfolgreiche Bilder ist, meiner Meinung nach, Balance. Aber was verstehe ich unter Balance und noch wichtiger, was verstehst du unter Balance in deinen Bildern? Sehr häufig höre ich von Fotograf*innen die Erwähnung von Balance in Kombination mit dem Bildaufbau, jedoch spiegelt sich dies häufig nicht in den Bildern wieder. Für mich gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen eine visuelle Balance in schönen Bildern.

Balance von Farben

Farbliche Balance ist eine der stärksten und zugleich auch subtilsten Ausprägungen der visuellen Balance. Wenn sich die Farben in Bildern perfekt ergänzen, wird die Aufnahme als harmonisch und angenehm wahrgenommen. Ebenso können mit Hilfe von Farben auch dramatische Stimmungen erzeugt und starke Eindrücke vermittelt werden. Bei der Arbeit mit Farben muss jedoch ganz genau überlegt sein, welche Kombinationen und welche Anteile in einer Aufnahme nebeneinander Platz finden. Manche Farben werden optisch stärker gewichtet als andere und daher benötigen diese weniger Anteile, um einen ausgewogenen und balancierten Eindruck zu hinterlassen. Doch manchmal gibt es auch mehr als nur zwei Farben in einem Bild und in diesem Fall ist es sinnvoll zu überlegen, wie die Anteile harmonisch kombiniert werden können. Eine simple Dreiteilung der Anteile wird nur sehr unwahrscheinlich zum besten Ergebnis führen. Die visuelle Balance fühlt sich für die Rezipient*innen erst durch eine bestimmte Gewichtung einzelner Elemente harmonisch und angenehm an.

Balance von Luminanz

Wenn du meine Beiträge bereits seit längerer Zeit verfolgst, wirst du immer wieder über den Begriff der Luminanz gestolpert sein. Die Verteilung der Helligkeit in den Bildern, die hellen Lichter und die tiefen Schatten, erzeugen Drama und Spannung. Eine wirkungsvolle Aufnahme kann jedoch nicht nur durch Drama und hohen Kontrastumfang eine faszinierende Wirkung ergeben. Manche Aufnahmen leben von der Leichtigkeit und dem Verzicht auf gigantische Landschaft. Der minimalistische Anblick fordert jedoch ein gewisses Engagement von den Betrachtenden, da die formale Wirkung deutlich subtiler ausfällt. Auch ist die Verteilung der Luminanzwerte in einer Aufnahme mit geringerem Kontrastumfang noch bedeutender als bei kräftigen Fotos. Nur wenige Millimeter Abweichung zu einer Seite kann das zentrale Element der Aufnahme außer Balance wirken lassen.

Doch wie ermittle ich einen angenehmen und visuell ansprechenden, balancierten Eindruck meiner eigenen Aufnahmen?

Zuerst betrachte ich die Szene in der Realität und vor Ort, mache mir Gedanken über die wichtigsten Elemente und die Aussage, den Eindruck und das Gefühl, das ich in eine schöne Aufnahme übersetzen möchte. Anschließend starte ich mit einer ersten Version und reduziere so lange alle Störelemente, bis ich mit einem zufriedenstellenden Ergebnis weiterziehen kann. Nachdem einige Zeit vergangen ist entwickle ich das Bild am PC und habe die Gegebenheiten vor Ort deutlich im Kopf. Ich versuche mir, die Temperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Umgebungsgeräusche und die faszinierenden Kleinigkeiten wieder in Gedanken zu rufen. Nach den ersten Schritten der Anpassung nach den genannten Gesichtspunkten, betrachte ich die Aufnahme mit hellem und dunklem Hintergrund, entferne mich mehrere Meter vom Bildschirm und stelle das Bild auf den Kopf. Ich kneife meine Augen zusammen und versuche somit, die farbliche Wirkung sowie die Luminanz für sich sprechen zu lassen. Meistens ändere ich nach diesem Prozess noch die eine oder andere Kleinigkeit. Bevor ich nun fertig bin mit der digitalen Entwicklung, frage ich meine Frau, was ihr am Bild nicht gefällt und welche Störelemente den Blick ablenken. Nicht immer ist genügend Zeit und Motivation für den letzten Schritt, doch teilweise hat diese Rückmeldung schon wichtige Weiterentwicklungen und objektive Verbesserungen meiner Bilder ergeben.

Die Balance ist in meinen Augen subjektiv und kann gut geübt werden. Ästhetik und Gleichgewicht findest du in jedem Werk großer Künstler*innen. Egal, ob es das Zusammenspiel von Farben, Strukturen oder Formen ist. Wenn du deinen eigenen Blick Tag für Tag trainierst und dir bewusste Überlegungen machst, werden gewisse Facetten automatisch in deinen Sinn für Ästhetik und Balance übergehen. Auch in diesem Fall sind Zeit und Geduld sehr bedeutende Faktoren.