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Wildes Finnland – Auf den Spuren der Tiere – Teil 1

Der hohe Norden und die Länder Skandinaviens faszinieren mich aus mehreren Gründen. Die ausgedehnte Landschaft und deren naturbelassene Schönheit zieht Menschen aus weiter Ferne an. So auch mich. Doch nicht nur die wunderschöne Landschaft zieht mich in ihren Bann, sondern auch die verhältnismäßig intakte Fauna. Hier ist noch Platz für die großen Prädatoren, die wir so gerne in den Naturdokumentationen anschauen. Sie sind faszinierende Wesen und doch haben viele Menschen großen Respekt, oder noch schlimmer, Angst vor ihnen. Für Menschen, die das Verhalten der Tiere kennen oder unmittelbar neben diesen Tieren leben, ist diese Angst völlig unbegründet.

Auf den Spuren des Wolfes

Für unsere erste Fotoreise in Finnland hatten wir den ambitionierten Traum, die drei großen Prädatoren des hohen Nordens zu sehen und wenn möglich auch zu fotografieren. Wolf, Bär und Vielfraß sind scheue Wesen und schwer zu finden. Spaziert man selbst durch den Wald, so liegt die Chance diese Tiere zu sehen beinahe bei null. Der Geruchssinn der Tiere ist äußerst ausgeprägt und ihre Tarnung ist ebenso hervorragend wie ihr lautloses Verhalten.

Gemeinsam mit dem finnischen Guide, der die Beobachtungshütten betreut, spaziere ich durch den Wald. Genau den Wald, in dem Wolf, Bär, Vielfraß, Elch und weitere faszinierende Tiere wohnen. Wir machen uns auf die Suche nach Spuren vom Wolf. Werden wir Glück haben und ein Tier sehen können? Wie werden sich diese scheuen und lautlosen Waldbewohnenden verhalten? An einer Stelle finden wir frische Spuren in der feuchten Erde, die darauf hinweisen, dass der Wolf erst wenige Stunden zuvor hier war. Auf dieser Grundlage fällt die Wahl für die heutige Beobachtung auf eine Hütte im nahegelegenen Wald. Nichtsdestotrotz muss das Glück auf unserer Seite sein, da in diesem flächenmäßig so großen Land wie Finnland lediglich 28 Wolfsrudel und 20 Wolfspaare leben.

Etwas aufgeregt machen wir uns fertig und wagen es nur vorsichtig, uns eine Wolfsichtung zu wünschen. Wir wohnen in einer ehemaligen Grenzstation der Amerikaner und von hier aus starten unsere Abenteuer. Um 15 Uhr gibt es Mittagessen und im Zuge dessen besprechen wir nochmal die Packliste für den heutigen Abend. Verpflegung bekommen wir vor Ort und wir nehmen alles mit, was wir für die Nacht brauchen. Etwa um 16 Uhr starten wir dann zu unserem Platz im finnischen Wald. Weit im Osten liegt dieses Waldstück und außer Natur gibt es hier nichts. Der nächste Nachbar ist mehr als 5 Kilometer entfernt und wir stellen uns auf eine ruhige und gelassene Zeit der Beobachtung ein. Die Hütten, die hier aufgestellt wurden, sind gut eingerichtet und für Fotograf*innen ausgelegt. Manche besitzen Öffnungen an tiefen Positionen, damit die Perspektive besonders schön ist.

Während wir im Wald sitzen, besprechen wir nochmal die wichtigsten Einstellungen und sehen vor Ort, welche Autofokus-Felder am effektivsten für diese Szene sind. Je schneller wir im entscheidenden Fall sein können, umso realistischer ist es auch, dass wir ein schönes Bild bekommen. Wir sind alle einer Meinung, dass wir überglücklich wären, wenn wir die Tiere bloß sehen könnten. Die Geräusche im Wald wechseln stark und werden häufig von den Raben dominiert. Mit der fortschreitenden Zeit wird es im Wald dunkler. Trotz der nördlichen Breiten dauert die Nacht für etwa 3 Stunden an. Die Dunkelheit in der Nacht gleicht jedoch eher der Dämmerung und wir können sehr gut sehen und auch ein wenig fotografieren. Um etwa 23 Uhr taucht die Sonne unter den Horizont und wir beobachten den Wald noch ein wenig, bevor wir beschließen, im Schichtsystem schlafen zu gehen. Eine oder einer von uns soll wach bleiben, falls ein Tier auftaucht. Somit würden wir nichts verpassen.

Wie aus dem Nichts taucht eine Gestalt aus dem rechten Bildrand auf: Ein rötlich gefärbtes Tier mit buschigem Schwanz und  eleganten Bewegungen betritt unser Sichtfeld. Wir müssen zwei Mal hinsehen, um zu bemerken, dass es kein Fuchs ist, sondern tatsächlich ein Wolf. Es ist sehr, sehr dunkel für die Kamera und die ISO-Werte liegen bei 10.000 trotz verhältnismäßig langer Belichtung von 1/500 und offener Blende. Zumindest versuchen wir jetzt ein Erinnerungsfoto zu bekommen. Auch den Autofokus gut zu platzieren, das richtige Feld zu wählen und letztendlich ein scharfes Bild zu erhalten, war eine große Herausforderung für uns. Als wir den Bewegungen der anmutigen Wolfdame folgen, erblicken wir auf der linken Seite ein weiteres Tier. Ein weißer Wolf mit  kraftvoller, dennoch leichtfüßiger Körpersprache und einer hellen Mähne. Ihr Verhalten lässt Möglichkeiten für Experimente zu. Da die Tiere zwischen ihren Bewegungen immer wieder inne halten, verlängern wir unsere Belichtungszeit soweit, dass wir Bilder mit niedriger ISO erhalten. Während wir die Tiere mit unserer Kamera verfolgen und versuchen, die Schönheit und Eleganz einzufangen, können wir unser Glück noch immer kaum fassen. Tatsächlich stehen nur etwa 30 Meter von uns entfernt wild lebende Wölfe. Dieses Gefühl ist sehr schwer mit Worten zu beschreiben. Nach vielen Stunden des Wartens blicken wir nun auf diese geheimnisvollen, wunderschönen Tiere. Nachdem sie wenige Minuten später die Bildfläche wieder verlassen, sind wir voller Euphorie und erfüllt von Glück. Wir betrachten unsere Bilder auf der Kamera, um zu bestätigen, dass es sich um keinen Traum gehandelt hat.

Bei der späteren Analyse der Bilder konnten wir erkennen, dass das Weibchen trächtig sein musste und sie somit ein neues Wolfsrudel gründen könnten. Über diese tollen Nachrichten hat sich auch Markku sehr gefreut. Gerne würde ich sofort wieder nach Finnland reisen und mich in diesen wunderbaren Wald setzen, doch dafür muss ich mich noch bis nächstes Jahr gedulden. Bis zur nächsten Fotoreise „Wildes Finnland“…