Svalbard - Im Bann des arktischen Lichts
Für vier Monate geht die Sonne im arktischen Sommer auf Svalbard nicht unter. Unaufhörlich zieht sie ihre Bahn am Himmel und lässt jedes Zeitgefühl verschwimmen. Rund um die Sommersonnenwende steht sie nie tiefer als knapp 12 Grad über dem Horizont. Müdigkeit wird in dieser Zeit relativ – die Melatoninproduktion scheint kaum stattzufinden, und wir sind rund um die Uhr motiviert und gespannt, was wir erleben werden.
Ankunft in Longyearbyen – Das Tor zur Arktis
Noch vor der Landung auf dem Rollfeld der Hauptstadt Longyearbyen erkennen wir aus dem Flugzeugfenster die markanten Tafelberge und steilen Flanken des Inselarchipels. Longyearbyen liegt auf über 78° nördlicher Breite – so weit vom Polarkreis entfernt wie vom Nordpol.
Bevor das eigentliche Abenteuer beginnt, unternehmen wir zwei Ausflüge in die nähere Umgebung. Innerhalb der Stadt darf man sich frei bewegen – außerhalb ist dies nur mit „Polarbear-Protection“ erlaubt. Bereits hier gelingen uns die ersten Landschafts- und Tieraufnahmen. Unser Guide entdeckt ein Svalbard-Schneehuhn. Es hat größere, stark befiederte Füße – perfekt angepasst an den Schnee. Das Männchen trägt noch sein Winterkleid, während das Weibchen im Sommerkleid fast unsichtbar im Terrain verschmilzt.
Erster Tag am Schiff
Nach diesen spannenden ersten Tagen beziehen wir unsere Kabinen auf der MV Ortelius von Oceanwide Expeditions und lernen Crew sowie Route kennen. Nach dem Abendessen gehen wir an Deck – da macht sich plötzlich Aufregung breit: Ein Wal wird gesichtet. Noch ist unklar, welcher es ist. Doch der Kapitän ist sich sicher – ein Blauwal! Das größte Tier, das je auf der Erde gelebt hat.
Mit bis zu 30 Metern Länge und einem Gewicht von 180 Tonnen ist der Blauwal ein Gigant. Sein Herz allein wiegt etwa 180 kg und schlägt nur 4–8 Mal pro Minute. Er nutzt die nährstoffreichen arktischen Strömungen, um täglich bis zu vier Tonnen Krill zu fressen. Nach jedem etwa achtminütigen Tauchgang schießt eine mächtige Fontäne in die Luft. Der Wal nähert sich, und wir erkennen seine schiere Größe. Besonders eindrucksvoll: Er hebt beim Abtauchen jedes Mal seine Fluke – ein Verhalten, das nicht bei jedem Blauwal zu sehen ist.
Ein Expeditionsguide dokumentiert die Fluke, meldet die Sichtung – und erhält die Rückmeldung, dass dieses Individuum bislang nicht registriert wurde. Was für ein Start!
Der Rote Fjord – Raudfjorden
Heute erkunden wir Alicehamna im Raudfjord. Eine kleine Wanderung führt zu einer alten Trapperhütte. Das Wetter ist traumhaft: blauer Himmel, dramatische Wolkenfäden über den Gipfeln – ein seltener Bonus in der Arktis. Später nähern wir uns mit den Zodiacs dem Gletscher Raudfjordbreen. Die niedrige Position im Boot bietet tolle fotografische Perspektiven – wir beobachten und fotografieren erste Wasservögel aus respektvoller Distanz.
Im Liebesfjord – Liefdefjord & Monacobreen
Der Liefdefjord erstreckt sich rund 50 km ins Landesinnere. Am Ende liegen drei eindrucksvolle Gletscher, darunter der Monacobreen, benannt nach Fürst Albert I. von Monaco, der das Gebiet 1907 erforschte.
Vor der Gletscherfahrt wandern wir bei der „Texas Bar“ – einer kleinen Hütte, deren Herkunft unklar ist, die aber noch heute als Notunterkunft genutzt wird. Beim Aufstieg sichten wir Schneehühner, Schneeammern und Svalbard-Rentiere.
Dann folgt ein klassisches Arktis-Ritual: der freiwillige Polar Plunge. Bei 3 °C Wassertemperatur und Sonnenschein springen wir in die eiskalten Fluten. Fazit: erfrischend!
Am Nachmittag fahren wir mit dem Zodiac zum Gletscher. Die Farbnuancen im Eis, das Knacken der Schollen, das Licht – alles wirkt fast surreal. Auf einer Scholle liegt eine Bartrobbe, ungestört und entspannt. Wir entdecken außerdem Elfenbeinmöwen, deren fast schneeweißes Gefieder ihnen ihren Namen verleiht.
Nordwärts ins Packeis – Eisbärsichtung auf 81° Nord
Wir fahren weiter nach Norden ins Packeis. Wie weit wir vordringen können, hängt von Dicke und Struktur des Eises ab – doch bald entdecken wir Spuren: frische, ältere, teilweise verwehte.
Am späten Nachmittag dann: ein Punkt in der Ferne. Ein Eisbär. Leise und respektvoll beobachten wir. Die Bärin schnuppert, bewegt sich langsam in unsere Richtung. Am Abend legt sie sich nieder. Um vier Uhr morgens die Durchsage: „Der Eisbär ist wieder aktiv.“
Wir begleiten sie über das Eis, immer auf Abstand. Schließlich taucht sie ins Wasser – spielt, dreht sich, schwimmt weiter, steigt auf einer neuen Scholle wieder heraus. Ein magischer Moment: 81°08‘ Nord, nur etwa 900 km vom Nordpol entfernt.
Magdalenafjord – Zwischen Fels und Eis
Der geplante Landausflug fällt wegen tiefem Schnee aus – dafür fahren wir mit dem Zodiac durch eine spektakuläre Eislandschaft. Die Formen, Farben und Strukturen der Eisberge sind atemberaubend. Während wir noch fotografieren, entdecken wir in der Ferne einen weiteren Eisbären – schwimmend, dann entlang der Küste wandernd.
Kurze Zeit später taucht ein zweiter Bär auf. Beide halten respektvollen Abstand zueinander. Auch wir bleiben auf dem Schiff – gemäß der 500-Meter-Regel. Die Beobachtungen aus dieser Distanz sind nicht minder eindrucksvoll.
Die Walrosse von Poolepynten
Auf dem Rückweg passieren wir Poolepynten, eine flache Landzunge mit Kiesstrand – ideal für Walrosse. Dicht gedrängt ruhen die bis zu 1.500 kg schweren Tiere. Zunächst wirken sie schwer fotografierbar – doch dann tauchen zwei Tiere im Wasser auf, nähern sich langsam. Eine gute Gelegenheit für stimmungsvolle Bilder mit Gletscherkulisse. Auch geruchlich bleibt der Moment unvergessen – Walrosse haben eine ganz eigene „Note“.
Am letzten Abend besuchen wir noch das Alkhornet, einen steilen Felsberg mit tausenden Seevögeln. Wir entdecken erneut Rentiere – und ganz zum Schluss sogar noch einen Polarfuchs nahe der Kolonie.
Zurück nach Longyearbyen
Jedes Abenteuer hat ein Ende. Unsere Reise in die Hohe Arktis hinterlässt tiefe Eindrücke: Brutvögel, Bären, Gletscher, Stille, Licht – und unzählige Bilder. Die Vielfalt an Motiven, Perspektiven und Emotionen macht Svalbard zu einem Ort, den man nicht vergisst. Ich hoffe, ich darf eines Tages zurückkehren. Vielleicht ja mit dir?