+43 664 30 25 811 philipp@jakesch.photography

Dramatische Wellen

Um die Dramatik und die Gewalt von Wellen einfangen zu können, empfehle ich eine ausreichend kurze Belichtungszeit. Wenn ich die kleinen Wassertropfen in völligem Stillstand und ohne jegliche Unschärfe aufnehmen möchte, so wähle ich in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit und der Gewalt der Welle Belichtungszeiten zwischen 1/500 und 1/8000 Sekunden. Für die Wahl der Zeit ist für mich zusätzlich die vorherschende Helligkeit von entscheidender Bedeutung. Auch wenn die Szene durch die vielen Wasserspritzer ohnehin ein körniges Erscheinungsbild hat, so versuche ich trotzdem die ISO-Werte so gering wie möglich zu halten. Wie ich bereits einige Seiten zuvor erwähnt habe, werden bei steigender ISO sowohl das Signal als auch das Rauschen gleichermaßen verstärkt. Zusätzlich dazu kommt noch erschwerend hinzu, dass der Dynamikumfang des Sensors durch die Signalverstärkung abnimmt.

Stellen Sie sich vor, Sie fotografieren eine Szene, in der die Luminanzunterschiede zwischen der hellsten und der dunkelsten Stelle im Bild genau die Möglichkeiten des Sensors ausfüllen. Wenn Sie nun die ISO-Werte in Ihrer Kamera erhöhen, so verringert sich der Dynamikumfang und das Fenster zwischen Schwarz und Weiß wird kleiner. Sie stoßen dadurch bereits schon früher an die Grenzen der Kamera. Bei der nachfolgenden Bildentwicklung müssen Sie somit noch feinfühliger vorgehen, um Ihre Bilder möglichst verlustfrei bearbeiten zu können.

  • Diamond Beach, Süd Island 2022; Nikon Z7II+150-600 mm f/5-6,3 | @210 mm | f/7.1 | 1/800 sec | ISO 280

Die großen Eisblöcke, die mehrere Kilometer entfernt vom großen Breidamerkurjökull kalben, schwimmen in der wunderschönen Gletscherlagune Jökulsarlòn dahin, bis sie nach einiger Zeit durch einen Kanal ins Meer treiben. Bis es soweit ist, haben diese Eisbrocken kräftig an Masse abgenommen und sind teilweise mehrfach zerbrochen. Immer wieder hört man das Knarren, das von den Spannungsrissen im Eis stammt. Durch den Wechsel zwischen Ebbe und Flut ist die Lagune mit salzhaltigem Wasser gefüllt und dadurch werden die Eisberge auf ihrem Weg deutlich verkleinert. Nachdem die Eisberge auf das offene Meer gezogen wurden, werden sie durch die mächtigen Wellen zurück an Land gedrückt. Ein scheinbar endloses Hin und Her zwischen Wasser und Eis wird mit der Zeit vom mächtigen Meer entschieden. Die standhaften, großen Eisblöcke wirken wie Wellenbrecher und das Wasser spritzt an ihnen in die Luft. Die dramatische Lichtstimmung unterstützt die Bildwirkung. Für das gewünschte Bild empfehle ich Ihnen, sich bei diesen Bildern Zeit zu nehmen. Mit jeder Welle sehen die Wasserfontänen anders aus und die Dramatik ändert sich zusätzlich zu deren Form. Eine große Schwierigkeit bei diesen Bilder ist neben dem Zufallseffekt die Komposition. Durch die Turbulenzen sind die Aufnahmen häufig etwas unruhig und die Störelemente im Bild können teilweise nur sehr schwer reduziert werden.

island im winter, wintertraum, island, iceland, norden, philipp jakesch photography

  • Snaefellsnes, Island 2022; Fujifilm GFX 100s +100-200mm  f/5.6 | @100 mm | f/6.4 | 1/200 sec | ISO 1000

Hohe Windgeschwindigkeiten und die beeindruckende Rauheit der isländischen Landschaft tragen bei diesem Bild besonders stark zur Dramatik bei. Der starke Wind bläst die Gischt der Welle am Scheitelpunkt davon und lässt eine lange Fahne entstehen. Das dunkle Wasser im Vordergrund ist stark strukturiert und die vielen Schneeflocken zeichnen kleine Linien in den Himmel. Nur die Eissturmvögel und Möwen trotzen dem wilden Wetter und nutzen die raue See, um verunglückte Fische zu erbeuten. Farblich ist dieses Bild von Natur aus sehr reduziert und diesen Effekt habe ich bei der Entwicklung unterstützt. Der Bergrücken im Hintergrund ist noch gut sichtbar und bildet das stabile Hauptelement der Aufnahme. Für eine zusätzliche Harmonie in der Aufnahme habe ich mich beim Bildformat auf ein quadratisches Verhältnis entschieden. Quadratische Bilder sind häufig sehr ausgewogen und angenehm bei der Betrachtung. Bei der Arbeit am Computer probiere ich sehr gerne unterschiedliche Seitenverhältnisse aus, da der Ausschnitt einen großen Einfluss auf das Bild hat. Versuchen Sie das doch auch in Ihren eigenen Bildern und fertigen Sie Kopien von einem Bild an, bei dem sich nur das Seitenverhältnis unterscheidet. Wie verändert sich dadurch die Aussage und welches Format gefällt Ihnen am besten?

 

madeira, insel, portugal, blumeninsel, philipp jakesch, philipp jakesch photography, fotoreise, fotografie, besssere bilder, workshop, fototour, tour, reise, travel, landschaft, landscape, natur, meer, wasser, island, steilküste,

  • *softened giant* Porto Moniz, Madeira 2016; Nikon D800 + 16-35mm f/4 | @31 mm | f/9 | 2,5 sec | ISO 100

Lange Belichtung und trotzdem Dramatik in den Wellen? Das funktioniert nur, wenn die Wellen mit gigantischer Gewalt auftreffen. Durch eine längere Belichtung wird die Dramatik immer etwas abgeschwächt und verändert, jedoch bekommt das Bild dadurch auch mehr Dynamik und Bewegung. Es wirkt interessanter als eine Aufnahme, bei der die Szene „einfach nur“ eingefroren ist. Die jeweiligen Geschmäcker dürfen dabei gerne wieder in unterschiedliche Richtungen gehen. Was spricht Sie besonders an? Ich persönlich entscheide dies immer von Fall zu Fall und bekomme damit eine Variation von Eindrücken. Häufig passe ich meine Belichtungszeit und damit mein gestalterisches Element vor Ort an und verändere diese so lange, bis ich zufrieden bin. Eine zufriedenstellende Fotoaufnahme ist für mich ein ständiger Prozess von kleinen Anpassungen und Iterationsschleifen.

Diese Szene im Nordwesten der Insel Madeira hat mich besonders fasziniert, da sich das Schauspiel stets wiederholte: Zuerst traf eine Welle im rechten Bildteil auf die Felsküste auf und krachte dabei in die Höhe. Anschließend zogen sich die Wassermassen zurück, stießen dabei mit der nächsten hereinkommenden Welle zusammen und das Wasser wurde hoch in die Luft geworfen. Zyklisch wiederholte sich dieser Prozess, mit dem Fortschreiten der Dämmerung wurden die Belichtungszeiten länger und die Bilder ruhiger.