+43 664 30 25 811 philipp@jakesch.photography

Wie man sich den Winter vorstellt

Die Temperaturen sinken und die Tage werden kürzer. Mit den kommenden Schneefällen wird die mittlerweile karge Landschaft mit einem weißen Mantel überzogen. Dieser jahreszeitliche Ablauf ist durchaus nicht ganz selbstverständlich. Winter und weiße Landschaft fotografieren ist vor allem in tieferen Lagen schwierig zu bewerkstelligen. Die Alpen sind tief verschneit und haben eine meterhohe Schneedecke, nur sind diese Landstriche häufig sehr lawinengefährlich. Also wenn in den tieferen Lagen man Neuschnee fällt, am besten den frischen Schnee auskosten und fotografisch nutzen…

Was ist der richtige Bildausschnitt?

Richtig geraten: Es gibt nicht den einen richtigen Bildausschnitt, jedoch kann man ein paar Dinge weniger optimal lösen und das will ich in diesem Beitrag etwas beleuchten. Ich habe schon häufig darüber gesprochen, dass es sehr darauf ankommt, was ich mit meinem Bild erreichen möchte. Bei den Schneestrukturen möchte ich einerseits minimalistische Szenen darstellen, die sowohl farblich als auch strukturell sehr reduziert sind. Andererseits will ich die fragile, weiße Oberfläche mit ihren geschwungenen, organischen Linien realistisch präsentieren.
Beim Bildausschnitt habe ich dabei auf die Harmonie von Flächen geachtet, um einen ästhetischen Allgemeineindruck zu vermitteln. Die Aufteilung der hellen und dunklen Bildbereiche versuche ich in diesen Bildern ähnlich zu gewichten. Gibt es mehr als nur hell und dunkel in einem Bild, so habe ich die Stärke der jeweiligen Bildelemente mit in die Balance einbezogen. Ein starker Riss durch die Oberfläche stellt ein weitaus massiveres Element dar, als eine sanft geschwungene Scheehaube. Somit nimmt die sanfte Schneehaube einen größeren Platz im Bild ein, um das schwere Element, den Riss, zu balancieren.
Um ansprechende Bildausschnitte zu finden, übe ich auch, wenn ich die Kamera nicht dabei habe. Manchmal verwende ich mein Telefon, um Strukturen im Kleinen zu fotografieren und schöne Ausschnitte zu finden. Andere Szenen betrachte ich intensiv und stelle mir vor, wie ein Bild mit dem „gewählten“ Ausschnitt funktionieren könnte. Bei der Wahl des Bildausschnitts ist man niemals mit Üben fertig. Je mehr ich mich damit beschäftige, umso häufiger sehe ich Strukturen, Formen und abstrakte Ästhetik im Alltag.

island im winter, wintertraum, island, iceland, norden, philipp jakesch photography

Kameraeinstellungen

Um die freigestellten und reduzierten Szenen aufnehmen zu können, habe ich meistens das Tele verwendet, was zwangsläufig zu Vor- aber auch Nachteilen führt. Die Vorteile haben eindeutig mit dem Bildausschnitt zu tun und das ist tatsächlich der schwierigste Teil der Sache – das habe ich allerdings bereits erwähnt.
Um die gesamte Szene des Bildes scharf abzubilden, verwende ich teilweise sehr kleine Blenden, also große Blendenwerte. Doch nicht immer ist das Motiv so stark strukturiert und es ist nicht nötig, das gesamte Bild scharf abgebildet zu haben. In diesem Fall ist es sehr angenehm und man kommt ohne längere Belichtungszeiten oder sogar focus stacking aus. Bei anderen Motiven die etwas kleiner sind, erreiche ich teilweise Bildwinkel, die nur wenige Grad von der Sensorebene abweichen und somit gibt es auch weniger Probleme mit der Schärfe.
Der größte Vorteil mit dem Schnee ist, dass er weiß ist. Klingt jetzt vielleicht etwas blöd, aber das hilft uns beim Fotografieren sehr. Denke einfach mal an die Landschaft bei Nacht, mit wunderschönen Nordlichtern am Himmel und dann noch zusätzlich die Milchstraße. Ist der Vordergrund nur schwarzer Stein, so reflektiert dieser sehr wenig Licht und wir haben große Probleme mit der Balance im Bild und die Komposition wird zusätzlich erschwert. Bei Schnee ist der Vordergrund sehr hell und wir haben schöne und auch detailreiche Bilder! Bei Tag können wir selbst weit geschlossene Blenden noch gut aus der Hand fotografieren und die erschwerten Bedingungen durch den vielen Schnee werden zumindest teilweise kompensiert.

island im winter, wintertraum, island, iceland, norden, philipp jakesch photography

Kreative Entscheidungen

Welchen Ausschnitt du wählen sollst, liegt ganz in deinem eigenen Geschmack und deinen ästhetischen Vorstellungen. Schöne und zugleich reduzierte Bilder aufzunehmen kann sehr fordernd sein. Für die besten Ergebnisse in diesen Situationen gehe ich strukturiert vor. Meistens will ich die Szene möglichst umfänglich und doch einfach darstellen, kling widersprüchlich, passt jedoch zusammen. Denn blickt man genau hin, so finden sich in kleinen Facetten des Bildes Hinweise auf die große Landschaft, die Umgebung, die Tageszeit oder auch die Jahreszeit. Zuerst nehme ich ein Bild auf, wo ein größerer Ausschnitt der Landschaft zu sehen ist. Ich blicke auf das fertige Foto und achte auf kleine Details, die mich ansprechen. Mein Augenmerk fällt auf Unterschiede in der Luminanz sowie in Farbkontrasten. Diese Details versuche ich in weiteren Variationen deutlicher herauszuarbeiten. Nicht selten starte ich mit dem Weitwinkel und beende diese Serie mit dem Teleobjektiv, wodurch ich einen sehr reduzierten Ausschnitt einer kleinen Facette erhalte.

Besonders genieße ich diese Szenen in Form von Wandbildern in einem größeren Format. Ich achte auf die Struktur des Materials. Die seidige und doch leicht strukturierte Oberfläche der gedruckten Version wirkt plastischer als der Bildschirm. Sanft streiche ich mit meinen Fingern über das Bild und neige es in alle Richtungen. Wenn es dann an der Wand hängt, gehe ich ganz nah ran und wieder einige Schritte zurück, betrachte es aus allen Entfernungen und von unterschiedlichen Seiten. Ich empfehle dieses Vorgehen sehr, da ich das Bild wertschätze und zu dem fertigen Exemplar eine besondere Beziehung aufbaue.